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Dienstag, 5. Juli 2011

Salzburger Nachrichten: Michael Bartz zur Trendstudie "Future Jobs"

Michael Roither berichtet am 21. Juni in den Salzburger Nachrichten (Link SN):

"Michael Bartz, Professor für Exportorientiertes Management an der FH IMC Krems und Arbeitsforscher, kommentiert aktuelle Forschungsergebnisse der Trendstudie „Future Jobs“ des Zukunftsinstituts in Kelkheim im Auftrag der DIS AG, einem der fünf größten Personaldienstleister in Deutschland.

Die Zukunft der Arbeit in Europa ist ein viel beforschtes Thema. Dass sich die Arbeitswelt weiter wandeln wird, ist in allen Forschungsergebnissen ein gleicher Nenner. Ebenfalls unumstritten: Demografie und Globalisierung sind die Treiber der Entwicklungen. Forscher Michael Bartz wirft über diese grundlegenden Feststellungen hinaus einen Expertenblick auf die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Trendstudie des Zukunftsinstituts.

Arbeit wird flexibler

Der Trend geht laut Studie hin zu flexibleren Beschäftigungsverhältnissen – und zwar sowohl was die Angebote von Unternehmen betrifft als auch in Bezug auf die Wünsche von Arbeitnehmern. Der Fokus liegt dabei weniger auf materiellen Statussymbolen, sondern vielmehr auf Werten wie Freiheit, Autonomie, Gestaltungsmöglichkeiten und einem breiten Netzwerk. „Jedenfalls brechen die alten Muster auf, und genannte Werte sorgen für ein vielfältigeres Bild auf Seiten der Arbeitnehmer“, kommentiert Michael Bartz. „Die Arbeitgeber müssen das künftig beim Recruiting noch viel stärker als bisher berücksichtigen.“

Selbstbewusstsein bei der Arbeitgeberwahl

Ein weiteres Merkmal dieser Mitarbeiter von morgen laut Studie: Sie sind für die Arbeitswelt gut gerüstet und haben schon während Schulzeit und Ausbildung mehr Erfahrung gesammelt als ältere
Arbeitnehmergenerationen. Entsprechend selbstbewusst sind sie auch bei der Wahl und dem Wechsel ihres Arbeitgebers. Sie möchten genau wissen, welche Vorzüge und eventuelle Nachteile diese aufweisen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie mit Angeboten wie flexiblen Arbeitszeiten, individuellen Weiterbildungsmöglichkeiten, sozialem Engagement oder leistungsbezogenen Boni überzeugen müssen – kurz: als attraktiver Arbeitgeber. Aufschluss hierüber geben Rankings und Bewertungen, etwa Plattformen wie „Great Place to Work“ oder die Top-30-Listen für die besten Corporate-Webseiten in Europa. „Dieses Ergebnis muss man differenziert betrachten“, rät Forscher Bartz. „Nur wenn man dieses Selbstbewusstsein in Richtung der Übernahme von mehr Verantwortung als Arbeitnehmer geht, gilt das für alle Arbeitsebenen – von jenen mit niedrigen Qualifikationen bis zu den Wissensarbeiten. Im oberen Bereich werden die Talente immer rarer, die arbeitende Bevölkerung nimmt ja insgesamt ab. Man darf deshalb selbstbewusster werden, muss aber auch mehr Verantwortung übernehmen, da die Fixanstellungen weiter zurückgehen und neue Arbeitsformen zunehmen werden. Insgesamt wird dabei die Wissensarbeit überproportional zunehmen, es gibt für Arbeitnehmer einen immer größeren Zwang in die relativ hohe Qualifikation. Auch Arbeitnehmer mit niedriger Qualifikation müssen künftig mehr Verantwortung übernehmen – neue Arbeitsformen und flexible Arbeitszeiten werden auch hier zunehmen. Man denke nur an Zeitarbeitsfirmen und Personalleasing.“

Beziehungswirtschaft: Netzwerke

Viele Arbeitnehmer werden laut der Studie künftig vielleicht gar nicht mehr auf dem „offiziellen“
Arbeitsmarkt auftauchen. Stattdessen gilt es für Unternehmen bei der Rekrutierung besonders Kanäle wie Facebook oder Veranstaltungen zu nutzen. „Das Finden der potenziellen Arbeitnehmer wird in Zukunft immer besser und vom Zugang her einfacher möglich sein“, weiß Michael Bartz. „Aber das ,Anziehen’ besonders der High Potentials wird immer schwerer. Der Fachkräftemangel ist bereits Realität. Nun gilt es, die Weichen grundlegend neu zu stellen. Ein sanfter Wandel wird bei vielen Unternehmen nicht ausreichen. Sie müssen sich insgesamt umbauen und als coole Arbeitgeber, mit neuen Arbeitsformen und Infotechnologien positionieren.“ Gute Kontakte aufzubauen und zu pflegen lautet das Erfolgsgeheimnis, sei es durch Praktikantenprogramme, Alumni-Netzwerke oder soziale Netzwerke. Und auch innerhalb von Unternehmen wird es immer wichtiger, individuell auf die Wünsche der Mitarbeiter einzugehen. Denn diese lassen sich laut Trendstudie nicht durch eine standardisierte Karriereplanung oder massentaugliche Incentives an den Betrieb binden. Hinzu kommt, dass die neuen Generationen ungeduldiger und weniger loyal sind – ein Arbeitgeberwechsel ist schnell vollzogen.

Neue Lebensstile mit neuen Werten

Die Studie des Zukunftsinstituts macht auch eines ganz deutlich: nicht nur die Arbeitswelt verändert sich, sondern auch Werte, Verhaltungsweisen und Gewohnheiten. Sechs „Lebensstile 2020“ werden demnach in Zukunft stärker vertreten sein: die „CommuniTeens“, die sozusagen digital aufgewachsen sind, die „InBetweens“, für die wechselnde Lebens- und Arbeitskontexte selbstverständlich sind, die „Young Globalists“, für die Job und Karriere die eigene Identität bestimmen, die „Latte-Macchiato-Familien“, die einen nachhaltigen und hedonistischen Lebensstil pflegen, die „Greyhopper“, die jenseits des Rentenalters aktiv bleiben, und die „Silverpreneure“, die im Alter mit einer zweiten Karriere neu durchstarten. „Profile wie diese findet man derzeit überall in Studien“, kommentiert Bartz. „Viele muss man aber erst demografisch nachweisen. Und: Ihr Impact ist noch unklar. Fest steht aber, dass es viele solcher neuen Lebensstile gibt und sie einen großen Einfluss auch auf die Arbeitswelt haben werden. Mein Kollege Mark Mueller-Eberstein hat beispielsweise in seinem Buch ,No Fear: Business Leadership In the Age of Digital Cowboys’ die sogenannte ,No fear generation’ beschrieben, die derzeit selbstbewusst und ohne Angst auf den Markt drängt. Ein Beispiel: Eine der wenigen Mitarbeiterinnen, die es in einem globalen Konzern in ein High Potential Programm geschafft hat, schmeißt den Job ohne mit der Wimper zu zucken hin: Eine Weltreise war ihr an einem speziellen Punkt ihres Lebens wichtiger für ihre persönliche Entwicklung. Das alles wird natürlich Auswirkungen auf die Lebensläufe der Menschen haben und Unternehmen müssen sich im Transformationsprozess der nächsten 15 Jahre darauf einstellen. Einige große Brands machen das schon heute – mit kurzfristigen ,quick fixes’ und der aktuellen Entwicklung langfristiger Pläne. HR wird dabei eine Schlüsselrolle einnehmen – als interner Berater und Vertrauter für den Vorstand.“

HR-Prozesse überdenken

Um auf den Arbeitsmärkten der Zukunft bestehen zu können, müssen Unternehmen laut Studie ihre eigenen HR-Prozesse wie das Recruiting kritisch unter die Lupe nehmen. Das gilt besonders im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung der Kommunikation und die neue Umgangsformen in sozialen Medien. Nur eine stimmige Ansprache garantiert, dass die für das eigene Unternehmen geeigneten Mitarbeiter in Zukunft nicht zu einem Engpassfaktor werden. Aber auch andere HR-Bereiche müssen neu justiert werden. „Das kann ich nur unterstreichen: Beispiel Mitarbeiterbewertung. Klassische Muster versagen hier zunehmend. Neue, alternative Beschäftigungsformen brauchen auch neue Bewertungsmuster. Es braucht integrative Ansätze, die neue Parameter bewerten – zum Beispiel Ziele und Leistungen, nicht Zeitformen oder Anwesenheiten an Orten. Das alles wirft den klassischen HR-Bereich über den Haufen. Die Komplexität der HR wächst proportional zur Komplexität der Unternehmen, der Arbeitswelt insgesamt. Wenn diese Herausforderungen aber bewältigt werden, steigt der Wert der HR auch im gleichen Ausmaß, da der Benefit guter HR-Arbeit noch größer, die Rolle aktiver als früher ist. HR wird künftig ein noch unverzichtbarerer strategischer Partner des Vorstands sein.“

Weitere Forschungsergebnisse

Lebensunternehmer im Kommen. Das Leitbild des „Lebensunternehmers“, der seine eigene Arbeitsbiografie aktiv steuert und Eigenverantwortung zeigt, erweist sich für eine wachsende Zahl von Menschen als attraktiv. Für viele Arbeitnehmer ist eine Zukunft außerhalb klassischer Vollzeitstellen denkbar oder sogar wünschenswert. Freiheit und Individualität sind Werte, die dem zugrunde liegen. Spielraum für die eigene Karriere, Orientierung an Stärken und Talenten, ein individuell zusammengestelltes „Arbeitspuzzle“ und die Anpassung der Arbeitsbelastung an die persönliche Lebenssituation entwickeln sich zu sinngebenden Pfeilern für das eigene Leben.

Selbst gesteuertes Lernen. Treiber dieser Entwicklung sind neue Formen der Aus- und Weiterbildung, die Eigenverantwortung und selbst gesteuertes Lernen fördern sowie eine Vielzahl von Coaching- und Counseling-Angeboten, die die Selbstreflexion, Zielausrichtung und Umsetzungsfähigkeit stärken und unterstützen. Besonders jüngere Generationen werden schon früh dazu herausgefordert, ihre persönliche Einzigartigkeit, ihre „Uniquability“ zu entwickeln.

Wandel in der Arbeitskultur verstehen. Für Unternehmen geht es erst einmal darum, den Wandel in der Arbeitskultur zu verstehen und sich im Verhältnis dazu zu positionieren. Ist man ein Konzern, dessen typischer Angestellter der traditionelle „Organization Man“ der Industriekultur ist, ein Unternehmen mit einer hohen Anzahl von „Wissensarbeitern“, bei denen die fachliche Qualifikation im Vordergrund steht – oder entwickelt sich im eigenen Unternehmen bereits eine Kultur des „New Work“, in der Eigenverantwortlichkeit, individuelle Karrierepfade, eine neue Form von Führung und ein Höchstmaß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gelebt werden?"

Die vollständige Studie gibt es hier: Studie_FutureJobs.pdf

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